Der stellvertretende Kreisvorsitzende Joshua Schomakers hat beim länderübergreifenden Gesundheitsgipfel 2019 in Nordhorn folgenden Brief an Gesundheitsminister Spahn persönlich übergeben.
… und die Grafschafter Nachrichten (GN) kommentieren dazu in ihrem Wochenendkommentar:
Behandelt die Pflegenden pfleglicher!
Kommentar: Behandelt die Pflegenden pfleglicher!
Diesen Brief könnt ihr hier lesen:
Offener Brief an den Bundesgesundheitsminister Herr Spahn und an die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Frau Dr. Merkel
Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister Spahn,
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,
als Kranken- und Altenpfleger erlebe ich die Nöte hilfsbedürftiger Menschen täglich hautnah und möchte Ihnen diese Realität aus meiner Sicht näher bringen.
Sie als Bundesminister – genau wie die ganze Bundesregierung – kennen Artikel 1 unseres Grundgesetzes:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. ……..
Die Realität ist jedoch, dass die Würde von Patientinnen und Patienten täglich gebrochen wird – auch von Pflegekräften -, denn die Situation in der Pflege ist dermaßen dramatisch, dass Betroffene z.B. oftmals stundenlang ohne Abhilfe in ihren Exkrementen liegen, da die sie Pflegenden total überlastet sind und gerade für solche Tätigkeiten keine Zeit finden.
Personen, die Pflegeberufe ergreifen, sind Menschen mit Empathie – sie wollen helfen. Die berufliche Realität brennt sie jedoch schnell aus! Die Verweildauer in den Pflegeberufen liegt nicht ohne schwerwiegende Gründe bei nur 8,4 Jahren. Pflegende haben das Gefühl, häufig an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit gehen zu müssen. Mit dem durchschnittlichen Personalschlüssel im Pflegebereich teilt sich Deutschland den letzten Platz im EU-weiten Vergleich mit Spanien.
Herr Minister, Sie haben den Bürgerinnen und Bürgern 13000 neue Pflegekräfte versprochen. Von einer Erfüllung dieses Versprechens sind wir meilenweit entfernt. Dabei sind diese 13000 Stellen noch eine minimalistische Zahl, denn umgerechnet auf alle stationären Einrichtungen bedeutet dies gerade einmal eine halbe Stelle je Einrichtung! Sie als Gesundheitsminister wissen das. So lässt sich der Pflegenotstand in unserem Land weder kurz- noch langfristig beheben. Auch dies ist Ihnen als Fachminister bekannt.
Wir haben jetzt schon 35000 unbesetzte Stellen in der Pflege. Um den im Rahmen des demografischen Wandels wachsenden Pflegebedarf zu decken, werden mindestens 60000 zusätzliche Fachkräfte benötigt – dies ist eine realistische Zahl!
Wir als Pflegekräfte befinden uns in einer gefährlich zunehmenden Belastungsspirale. Wird jetzt nicht massiv gegengesteuert, werden auch noch die letzten Pflegekräfte, die das System mit Mühe aufrecht erhalten, verheizt!
Aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen weiß ich, wie sehr ihnen die würdelose und beschämende Situation im täglichen Pflegenotstand zusetzt. Nur zwei Beispiele: Eine Auszubildende im 2. Lehrjahr hat alleine eine ganze Station mit 22 Patienten zu betreuen. Sie muss die Medikation stellen, alle pflegerische Arbeit übernehmen und die Verantwortung tragen für diese 22 Menschen. Beklagt sie sich, hört sie: „Reiß dich zusammen und gewöhn dich dran, es wird noch schlimmer“. Ein Altenpfleger ist nachts allein für 46 Bewohner zuständig und ein alleinstehender Patient lag im Sterben. Der Altenpfleger wollte diesen Patienten auf seinem Weg begleiten, sich um ihn kümmern, für ihn da sein. Aber er wurde ständig abgerufen. Als er nach Stunden wieder dazu kam, nach diesem Patienten zu sehen, konnte er nur noch dessen Tod feststellen. Tief erschüttert sagte er zu mir:“ Ich habe noch nicht einmal Zeit, den Menschen in ihrer letzten Stunde die Angst zu nehmen.“
Wie weit ist der Schritt für diesen Kollegen, seinen Beruf aufzugeben? Und vielleicht eine viel besser bezahlte Tätigkeit im bürokratischen Bereich z.B. des medizinischen Dienstes anzunehmen (mit geregelten Arbeitszeiten und ohne belastende Nachtdienste)? Nebenbei: gegen die überbordenden Bürokratie kann das Gesundheitsministerium ja ganz schnell und wirksam etwas unternehmen und damit erreichen, dass nicht Aktenarbeit vor konkreter Patientenversorgung steht. Statt dessen hat sich auch dazu die Situation immer weiter verschlimmert.
Herr Minister, Sie haben selber gesagt: „Anerkennung drückt sich nicht nur in Worten aus. Es geht auch um’s Geld“. Zumindest erwarten die Pflegekräfte eine ihrer Verantwortung und Belastung adäquate Vergütung, die derzeit nicht gegeben ist: Das Durchschnittseinkommen in der Altenpflege beträgt gerade einmal 2744 €/ Monat (im Gesundheits- und Sozialwesen insgesamt 3767 €, der bundesweite Durchschnitt aller Berufe 3960 €). Schaffen Sie die Voraussetzungen, dass diese eklatanten Unterschiede ausgeglichen werden! Die Zeit der großen Worte und theatralischen Gesten ist abgelaufen – es müssen wirkliche Taten folgen!
Herr Minister, Sie müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden!
Hochachtungsvoll