Verabschiedung Kreishaushalt 2022 – Rede des SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzenden Gerd Will

Es gilt das gesprochene Wort

Anrede,

als wir vor zwei Jahren den ersten Haushalt zu Beginn der Covid-19 Pandemie beschlossen haben, war vielen von uns klar, dass er nur vorläufig und auf Sicht gefahren wurde. Wir haben unterjährig Nachträge und Einzelbeschlüsse verabschieden müssen, um die ständig wechselnden Herausforderungen zu bestehen.

Man muss nicht Hellseher sein, um angesichts der anstehenden Herausforderungen, ob national oder in Europa heute zu vermuten, dass sich das wiederholt und wir vor große Herausforderungen gestellt werden.

Krieg in Europa, Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, Bekämpfung der Klimafolgen, Hilfe für die Zivilbevölkerung in der Ukraine, wirtschaftliche Einbrüche in den Wertschöpfungsketten, Folgen für die Energieversorgung schon jetzt bei uns in Deutschland. Wie müssen wohl wirtschaftlich und sozial schwächere Länder mit den Folgen fertig werden? Darüber erwächst für uns auch zusätzliche Verantwortung gegenüber denen, die es nicht so dicke haben.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch dieser Haushalt reines Fahren auf Sicht und wird uns im Laufe des Jahres wiederholt vor neue zusätzliche Herausforderungen stellen.

Anrede,

Wir reden und beschließen heute über rund 280 Millionen Euro in Einnahmen und Ausgaben. So manche bekannte Entwicklung stellt sich dabei wieder ein.

Der Haushaltsplanentwurf 2021 wurde mit Minus 2,6 Mio. geplant und das Ergebnis liegt bei plus 1,4 Mio. Das ist eine Verbesserung von 4 Mio. Der Haushaltsplanentwurf 2022 lag zu Beginn unserer Beratungen bei Minus 5 Millionen Euro. Aktuell enden wir derzeit bei einem Plus von über 1 Million Euro.

Auf der Einnahmenseite durch den Finanzausgleich des Landes und die Mittel für den übertragenen Wirkungskreis ergibt sich eine deutliche Besserstellung und Mehreinnahmen in Höhe von 5,5  Mio. Das gleiche gilt noch einmal für den Bereich der Kreisumlage, die ebenfalls um 900.000 Euro steigt.

Vor diesem Hintergrund und den ursprünglich vorgelegten Haushaltsdaten der Kreisverwaltung ließe sich durchaus die Höhe der Kreisumlage neu diskutieren, wenn nicht die unerwarteten Herausforderungen in diesem Jahr anstehen würden, wie die Bewältigung der Folgen des von Putin vom Zaun gebrochenen Krieges in der Ukraine. Hier meine ich große Flüchtlingsströme in den Westen, zerschossene Infrastruktur im Osten und viele Kranke und Verletzte, die auch unser Gesundheitssystem mit aufnehmen kann und muss. Ich denke weiter an das Bürgerbegehren und die Sanierung der Eissporthalle.

Gleichzeitig reden wir in Folge des Embargos auch über die Dinge, die uns selbst treffen, durch fehlende Lieferungen von Gas und Öl und deren Folgen für uns alle. Wir spüren es selbst jeden Tag an der Tankstelle und bei den Energiekosten. Die wirtschaftlichen Folgen treffen auch uns, wobei wir uns eine zweite Energiewende zu fossilen Brennstoffen und schon gar nicht zum Atomstrom leisten dürfen.

Deshalb ist es umso wichtiger, jetzt entschlossen nicht nur die Klimawende einzuleiten, den niedersächsischen Weg auch in der Grafschaft umzusetzen und das sozialverträglich für alle Menschen unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunächst will ich im Verwaltungsentwurf die geplanten Schwerpunktinvestitionen in die Grafschafter Zukunft begrüßen. 30 Millionen sind ein guter Beitrag zur Entwicklung unseres Landkreises und auch zur richtigen Schwerpunktsetzung. Dabei will ich beispielhaft den weiteren Breitbandausbau nennen. Meine Fraktion (SPD) hat in intensiven Beratungen 19 Änderungsanträge für den Haushalt erarbeitet, von denen ganz oder teilweise 10 Änderungsanträge mit großer Mehrheit beschlossen worden sind.

Ich will mich in der Betrachtung auf einige wenige Schwerpunkte konzentrieren. Das leidige, ewig dauernde Thema Schulsozialarbeit, die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens, der Klimaschutz und damit verbunden die Mobilitätsanforderung der Zukunft für die Grafschaft und nicht zuletzt Bildung und Jugendarbeit als wesentlicher Baustein für die wirtschaftliche Entwicklung der Region.

Zur Schulsozialarbeit begrüßen wir die befristete Schaffung von insgesamt 1,5 Sozialarbeiterstellen für die Kreisgymnasien in Neuenhaus, Nordhorn und Bad Bentheim. Nach der beharrlichen Weigerung der CDU-FDP Mehrheit in der Vergangenheit ist es wohl auch mit den Bündnis-Grünen zu verdanken, hier endlich Fortschritte zu machen. Trotzdem werden wir hierzu erneut den Antrag stellen, dass Gymnasium Bad Bentheim mit den anderen beiden Gymnasien gleichzustellen und mit einer zusätzlichen halben Sozialarbeiterstelle also insgesamt einer Stelle, auszustatten. Es gibt keine inhaltliche Begründung dafür, hier nur eine halbe Stelle einzurichten.

Wir erwarten, dass die Verwaltung mit der Landesschulbehörde bzw. dem Ministerium dahingehend verhandelt, dass möglichst Vollzeitstellen eingerichtet werden und wir nicht geteilte Arbeitsverträge mit geteilten Stellen an verschiedenen Dienstorten schaffen müssen. Das erspart erhebliche Fahrzeit und die Chance, sich auf eine Einrichtung zu konzentrieren. Hier beantragen wir heute erneut eine zusätzliche halbe Stelle für das Burggymnasium in Bad Bentheim.

Ich komme zum Gesundheitswesen: Für den Bereich der beiden stationären Häuser, die Fachklinik in Bad Bentheim und die Euregio-Klinik in Nordhorn, ist der Landkreis Grafschaft Bentheim ein wichtiger Gesellschafter. Daraus erfolgt für uns auch die Aufforderung an den Gesellschafter dahingehend tätig zu werden, dass die Auseinandersetzungen um gerechte Löhne – also die nicht nachvollziehbaren Differenzierungen in der Bezahlung und Tarifbindung –  zu beenden.

Herr Landrat, wir fordern Sie auf, in den Gesellschafterversammlungen dahingehend tätig zu werden, dass öffentliche Tarifauseinandersetzungen zwischen den Tarifparteien nicht auf den Rücken von Patienten und Beschäftigten ausgetragen werden und uns als Gesellschafter ins schlechte Licht rücken. Dies ist ein politisches Produktziel und wir werden spätestens ab Oktober wieder darüber reden müssen, wenn es bis dahin nicht Fortschritte gibt.

Verstimmt hat uns die Haltung der Verwaltung, bei der Ärzteversorgung nur einen Weg zu gehen und das von uns dringend geforderte medizinische Versorgungszentrum für die Niedergrafschaft als zusätzliches Element der Versorgung auszuschlagen. Für uns ist die Messlatte die Entwicklung der Anzahl niedergelassener Ärzte, nicht der „Wegkauf“ innerhalb der Grafschaft von Gemeinde zu Gemeinde.

Natürlich wollen wir anerkennen, dass der Landkreis eine ganze Menge tut bei Studierenden und bei der Orientierung auch über Ausbildungskrankenhäuser in die Grafschaft. Das ist jedoch nur ein Schritt. Derzeit berät der Landtag ein neues Krankenhausgesetz, dass auch eine Landarztquote mit sich bringen wird und von der Seite auch die Verpflichtung für Berufsanfänger bei den niedergelassenen Ärzten erhöht. Dafür müssen wir Angebote haben. Der Landkreis ist bei der Daseinsvorsorge unverzichtbarer Partner und muss nicht nur verwalten, sondern gestalten. Wir bleiben bei dem Instrument MVZ für die Niedergrafschaft. Wer, wie der stellv. AK-Vorsitzende einem MVZ nach dem anderen bei der Euregio-Klinik zustimmt, sollte auch an die Gesamtversorgung in der Grafschaft denken.

Das Thema Klimaschutz beginnt mit der Umsetzung des Ziels Effizienz und Klimaautarkie bis 2040 für die Grafschaft Bentheim zu erreichen. Dazu gehören wesentliche Absenkungen der Emissionen, was wesentlich Kohlendioxidabgabe in die Atmosphäre und Stickstoff- und Phosphorreduzierung im Oberflächen- und Grundwasser beinhaltet. Hierbei sind die gesetzlichen Vorschriften aus dem Gesetzespaket des niedersächsischen Wegs mit den beteiligten Institutionen und Verbänden für die Grafschaft zu konkretisieren und auf den Weg zu bringen.

Hier begrüßen wir die Verständigung auf die zusätzliche Stelle und die zusätzlichen Mittel in der unteren Wasserbehörde, um eine systematische Kartierung und nicht nur punktuelle Darstellungen für die Grafschaft zügig auf den Weg zu bringen.

Allerdings haben wir bei dem Thema Schutz, Pflege und Entwicklung von Natur- und Landschaft im Zusammenhang mit der Umsetzung des niedersächsischen Wegs die zwei absehbaren notwendigen zusätzlichen Stellen gefordert, die von der Kreistagsmehrheit leider abgelehnt worden sind. Im Gegenteil: Nicht einmal eine Stelle wurde hier gemeinsam beschlossen. So kann man Themen auch auf die lange Bank schieben und auch immer Begründungen finden, weshalb das alles noch Zeit hat.

Beim Thema Entwicklung nachhaltiger Mobilität gibt es eine Reihe von Aufgaben zu erledigen, die auch durch den jetzigen Haushalt berührt werden.

  •  Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs innerhalb der Grafschaft mit dem Ziel, Anschluss an Coevorden und Gronau zu finden.
  •  Ausbau des Schienengüterverkehrs auf der gesamten Strecke mit Ausbau der Ostkurve in Bad Bentheim, um dort den sich abzeichnenden Verkehrskollaps im Bahnhof bei den Güterzügen zu vermeiden.
  •  Sanierung und Ausbau des Radwegesystems in der Grafschaft mit Anreizen für die Gemeinden und weitere grenzüberschreitende Regionalisierung.
  •  Erneuerung der Busflotte durch umweltfreundliche Antriebe und Verdichtung der Takte, um ein attraktives ÖPNV/SPNV-Angebot für die Grafschaft zu schaffen als Alternative zum Individualverkehr. Hierbei muss auch dabei gedrängt werden, dass die zusätzlichen 150 Millionen Euro, die der Bundesverkehrsminister in den letzten Tagen zusätzlich für die Regionalisierung des Verkehrs freigegeben hat auch in diesem Bereich landen und nicht zur Deckung anderen Haushaltsaufgaben in Hannover missbraucht werden. Finanzminister sind bekanntlich kreativ im Verwalten von durchzuleitenden Mitteln des Verkehrsressorts.
  •  Daneben ist der Bereich des autonomen Fahrens, was den ÖPNV betrifft, und Bedarfsverkehre wie Bürgerbus und Anrufsammeltaxi für bestimmte Ortschaften in der Grafschaft durchaus sinnvoll. Hier gibt es zwischen der SPD-Fraktion und der Kreistagsmehrheit durchaus große Schnittmengen und wir wünschen uns, dass möglichst viel auch im laufenden Jahr noch auf den Weg gebracht werden kann.
  •  Das ist auch unser Projekt Anschluss bis Coevorden. Auch hier fehlt noch die Unterschrift des Landes über den gemeldeten Antrag aus der Grafschaft beim Bund und darüber hinaus der vorgezogene Maßnahmebeginn, damit wir endlich wie beim SPNV-Bad Bentheim – Neuenhaus beginnen können.

Ein weiteres Thema ist der Bereich Bildung/Ausbildung und Jugendarbeit:

Hier sehen wir einen Schwerpunkt sowohl mit der Ansiedlung eines IT-Beauftragten an den berufsbildenden Schulen als auch das Markenzeichen Bildungscampus endlich mit Inhalt und Konzept zu füllen.

In Podiumsdiskussionen und Sonntagsreden habe ich bisher wenig Erhellendes bisher gehört außer dass wir Planungsmittel einsetzen und Absichtserklärungen abgeben. Was heißt Bildungscampus in Verbindung mit Hochschule, beruflicher Bildung und unserem dualen Berufsbildungswesen? Welche neue Qualität soll dabei entstehen? Auch hier würden wir uns mehr konkretes und Tempo wünschen.

In diesem Zusammenhang ist natürlich nicht nur im Berufsbildungsbereich die Haltearbeit für eine Zukunft in der Grafschaft zu beschreiben, sondern auch die Teilhabe und Teilnahme von jungen Menschen im Entwicklungsprozess unserer Region. Ob nun in Projekten, wie wir das an Schulen jetzt neuerdings ausloben oder auch in Zusammenarbeit mit Hochschulen in der Grafschaft.

Es geht um Teilhabe und Zukunftschancen, die auch von Jugendlichen mit beschrieben werden können, nicht deshalb, zuletzt auch das Thema Jugendparlament für die Grafschaft, um damit für Kommunalpolitik einen Ansprechpartner zu gewinnen, dass die Interessenlage der jungen Menschen noch deutlicher beschreibt.

Wir begrüßen ausdrücklich die Erhöhung des Zuschusses für die Frauenberatungsstelle in Höhe von 2.500 Euro. Die Corona-Pandemie hat zahlreiche Beziehungen und Familien enorm belastet. Um häusliche Gewalt in den verschiedensten Formen nicht aufkommen zu lassen, ist es unerlässlich, dass wir hier die Frauenberatungsstelle weiter stärken.

Meine Damen und Herren, noch ein Stichwort zur Personalentwicklung und zu den Menschen innerhalb der Verwaltung und den angeschlossenen Einrichtungen, die für die Grafschaft Daseinsvorsorge und Entwicklung begleiten.

Hierbei geht es auch nach Auffassung des Personalrats um die weitere Entwicklung des betrieblichen Gesundheitsmanagements. Wir alle wissen, dass die Pandemie Ausnahmesituationen, Mehrbelastungen, Verschiebung ins Containment, Reduzierung von Öffnungszeiten, zeitlich längere Wege mit sich bringen. Das führt zur Mehrbelastung für die Beschäftigten.

Auch hier wollen wir darauf achten, dass die Betroffenen nicht durch Überforderung krank werden und verstärkt ausfallen. Insbesondere die Ablehnung durch die Kreistagsmehrheit verursacht von uns ein Kopfschütteln. Gesundheitsmanagement wird immer wichtiger, auch unter Einbeziehung von externen Kräften. Dass was wir im Landkreis tun, reicht einfach nicht. Aber der Arbeitsmarkt wird das schon klären, wenn die Attraktivität des Arbeitgebers durch Ablehnung solcher Ansätze sinkt. Mit der SPD wäre mehr möglich gewesen.

Meine Damen und Herren, bei Würdigung der vielen Veränderungen im Haushalt und der Bereitschaft, auch viele einvernehmliche Lösungen zu finden, erkläre ich für die SPD-Fraktion die Zustimmung trotz der verbliebenen strittigen Punkte.

Ich danke der Verwaltung ausdrücklich für die gute Begleitung und die Vorlagen, die uns ermöglicht haben, auf Augenhöhe diese Haushaltsberatungen auch zu führen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!